Vor über 10 Jahren bin ich in ganz unterschiedlichen Kontexten immer wieder einmal auf Menschen getroffen, die von einem verlorenen Zwilling erzählt haben. Damals kam es mir häufig so vor, dass das Erlebnis eines Zwillingsverlustes «inflationär» herumgereicht wurde. Ich selbst konnte mir überhaupt nicht vorstellen, als Zwilling in diese Welt gekommen zu sein.
Das hat sich grundlegend geändert, als ich vor ca. 7 Jahren begann, mich intensiver mit der Zwillingsthematik auseinanderzusetzen. Mich diesem Thema zu öffnen, erschloss mir eine ganz neue, erweiterte Sichtweise auf die Anfänge unseres Seins, sowie auf mein eigenes Leben und meine Beziehungen.
In den Geburts-Prozess-Workshops, zu welchen ich vier Mal pro Jahr einlade, erlebe ich immer wieder berührende Momente, bei denen manchmal ganz unerwartet das «Körper-Zellgedächtnis» des jeweiligen Menschen offenbart, dass da am Anfang ein Zwilling mit auf die Reise gegangen ist. Meistens werden sie von diesem Phänomen völlig überrumpelt, sie haben nämlich noch nie davon gehört. Manchmal sind solche Offenbarungen auch für mich als Begleiterin überraschend, wenn sich in der therapeutischen Arbeit vor dem Workshop das Thema Zwillingsdynamik nie angedeutet hatte.
Wir Therapeuten nehmen an, dass diese Zwillinge eine Art Seelenbegleiter sind, welche mit uns aus der «Anderswelt» kommen und uns durch die ersten Phasen der Schwangerschaft begleiten. Sie bleiben nur solange da, bis wir uns wirklich auf unser neues irdisches Leben einlassen können und uns definitiv entschieden haben, bei diesen Eltern zu bleiben.
Dann aber verlässt uns der «Reisebegleiter» wieder, um in die geistige Welt zurückzukehren. Zwillinge erleben oft nur die ersten Tage oder Wochen nach der Befruchtung gemeinsam. Da Ultraschalluntersuchungen meist später stattfinden, wird dieser Abgang nicht festgestellt. Ausser dem verbliebenen Embryo hat also niemand die Zwillingsschwangerschaft bemerkt. Der überlebende Zwilling ist mit dieser existentiellen Verlusterfahrung ganz alleine, auch im späteren Leben.
Trennungsschmerz, Verlustschmerz ist der grösste Schmerz, den wir empfinden können
Für den überlebenden Zwilling ist das ein traumatisches Ereignis am Lebensanfang und hinterlässt tiefe Spuren. Wir Pränataltherapeuten erleben immer wieder, dass die Verbundenheit und Liebe zu diesem Zwilling sehr tief ist, sehr oft viel tiefer als die Liebe zu den Eltern. Das erklärt auch, dass die Trauer und das Entsetzen gross, ja überwältigend ist für den zurückgebliebenen Zwilling.
Die Auswirkungen auf das spätere Leben als ErwachseneR sind tiefgreifend und existentiell.
Ein überlebender Zwilling kann häufig z.B. keine tiefen, festen Bindungen eingehen, weil die Angst vor einem erneuten Verlust unbewusst riesig ist. Die Zwillingsthematik ist tief im Unbewussten vergraben und wir bringen Probleme in unserem Leben kaum damit in Verbindung. Die meisten Betroffenen merken nicht bewusst, dass sie immer auf der Suche sind nach dem fehlenden Zwilling. Das kann im Innern ein Grundgefühl von tiefer Einsamkeit und Traurigkeit ergeben, oder auch eine ständige innere Unruhe und ein Getrieben-Sein.
Die gute Nachricht ist, dass wir in Geburts-Prozess-Workshops die Möglichkeit haben, diesen allerfrühesten schwierigen Erlebnissen achtsam und mit viel Langsamkeit zu begegnen und in einem wohlwollenden Feld neue heilsame Erfahrungen zu machen. So kreieren wir in unserem Nervensystem neue Möglichkeiten für unser Verhalten, für unsere Beziehungen und für unser Leben.
Ziel der Arbeit an der Zwillingsdynamik ist, dass der überlebende Zwilling lernt, ganz sich selbst zu werden. Es geht darum, die riesengrosse Liebe zu sich ins Herz zu nehmen, – wissend, dass die seelische Verbundenheit zum gegangenen Zwilling ewig da sein wird. So wird möglich, diese tiefe Liebe mit anderen Menschen zu teilen, anstatt unbewusst (ewig) auf den Einen oder die Eine zu warten.
Die Geburts-Prozessarbeit ermöglicht tiefe Veränderung zu mehr Freude & Lebendigkeit.
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